So schön das Design des Toronado auch sein mag: Autos sind zum fahren da und es sind die Fahreindrücke die zählen.
Einsteigen bitte...
Die grosse Türe öffnet sich mit einem deutlichen Klacken, und der Einstieg gestaltet sich sehr, sehr bequem.
Man nimmt Platz hinter einem wild ausschauenden Steuerrad das gar nicht so sehr nach einem Luxusauto ausschaut, dafür aber unverkennbar ist. Es duftet nach Kirsche, natürlich verursacht durch die kleine Dose unter dem Sitz.
Die Sitzbank ist sehr bequem, sogar unglaublich bequem wie eine Couch. Platz ist reichlich vorhanden und die Sitzposition ist tief und lässig. Erstmal die Scheiben runterkurbeln - fertig. Ein herrlicher Sommertag wartet draussen um entdeckt zu werden.
Kippe aus!
Nun geht es darum, den gewaltigen 425cui (das sind 7 Liter!) Big Block anzuwerfen. Zwei, dreimal das Gaspedal durchgetreten um den automatischen Choke zu aktivieren, dann kann der Zündschlüssel im mittig angeordneten Zündschloss umgedreht werden. Was dann folgt muss man sowieso selbst hören und ist durch Worte nicht zu beschreiben...viel Benzin ist im Spiel.
Ein wenig orgelt der Anlasser, muss doch erst Benzin aus dem 5 Meter weiter hinten liegendem Tank in den grossen Quadrajet-4-fach-Vergaser gepumpt werden.
Doch dann erwacht der 45 Jahre alte Big Block, die "Toronado Rocket", mit der Gussnummer 389244 donnernd zum leben.
Er erreicht nicht sofort die Solldrehzahl und man muss ein wenig mit dem Gaspedal nachhelfen bis das mechanische Zusammenspiel aus Vergaserklappen, Zündung, und Kolben ausbalanciert ist. In dieser Phase klingt er am schönsten, rauh stotternd und sprotzend, dann übergehend zu seidenweichem Motorlauf.
Das Geräusch ist unbeschreiblich und ich habe bisher keinen ähnlich klingenden V8 gehört. Tief bassig, blubbernd, leichte Vibrationen durch die Glass-Pack Schalldämpfer. Man denkt, hinter einem würde gerade der Weltuntergang mit viel Benzin zelebriert.
Doch es geht nur auf die Strasse. Über die endlos lang wirkende Motorhaube zu blicken ist schon ein wenig ungewohnt, doch die beiden schwertähnlichen Seitenfender lassen dies zu einem sehr übersichtlichen Erlebnis werden. Vorne sind die gigantischen Abmessungen des Wagens (5,40m x 2,00m) wirklich gut definiert.
Kickdown!
Die Turbohydramatik funktioniert wirklich gut, auch wenn sie etwas gefühllos wirkt. Als Clou haben die Ingenieure etwas eingebaut das sich "Switch Pitch" nennt und für einen gigantischen Antritt im ersten Gang sorgt.
Ein Test an der roten Ampel beweist: neben dem infernalischen Brüllen der 7-Liter Maschine wird auch Geschwindigkeit geboten und das 2,5-Tonnen-Monster ist alles andere als behäbig. In unter neun Sekunden ist man auf 100 km/h - das Ortstempo von 50 wird wesentlich schneller erreicht und die oft anzutreffenden aufgeblasenen Polos haben grosse Mühe, mitzukommen. Vom Style her haben sie eh keine Chance und nie eine gehabt. Dafür halten immer mehr Autos rechts hinter einem anstatt direkt daneben. Muss wohl daran liegen, das 30% des Benzins nur verbraucht werden um Sound zu erzeugen.
Ein UFO?
Überall merkt man: die Leute haben Schwierigkeiten, einzuordnen was sie da gerade sehen. Konzentrierte Blicke werden auf das kleine, leicht patinierte Typenschild am Heck geworfen. Kein Ergebnis, denn man wird nicht schlauer dadurch. Vielleicht acht Stück gibt es in Deutschland - unwahrscheinlich also, dass man am gleichen Tag einen zweiten sehen wird.
Viele wollen mir den Wagen direkt abkaufen, was ich immer lächelnd ablehne. Bisher hatte ich mehrere Angebote, alle deutlich höher als das was ich ausgegeben habe (nämlich nicht mehr als das, was ein Polo kostet). Doch der Toro ist unverkäuflich und wird es bleiben.
Viele Fragen natürlich nur einsilbig nach dem Benzinverbrauch, und mit ca. 16 Litern auf 100km ist dieser gemessen an den 385 PS nicht unbedingt hoch.
Doch mit Abstand die meisten sind von Styling und Sound fasziniert. Und es stimmt: der Toro macht eine überragende Figur in nahezu jeder Lage.
Stellt man ihn auf dem Parkstreifen ab, so schaut er einfach nur edel aus. Die schöne Dachlinie, die grossen Radhäuser - kein Vergleich mit den mittelgrossen Muscle-Cars der gleichen Ära, denn er sieht nicht anrüchig aus, sondern strahlt Ruhe und Gelassenheit aus.
Auf der Landstrasse
Das eigentliche Anwendungsgebiet für das, was man nur Toronado-Sucht nennen kann ist aber die Fahrt auf der Landstrasse. Man muss mit diesem Auto nicht schnell fahren oder gar heizen, es genügen konstante 40-60 MPH um glücklich zu sein. Der Fahrtwind streicht kühlend durch die grossen Fenster und der Sound des Motors gleicht nur noch einem entfernt grollenden, sonoren blubbern.
Die Federung ist ultra-komfortabel und durch den langen Radstand merkt man die Bodenwellen gar nicht. Für das Lenkrad genügt ein kleiner Finger, auf der Sitzbank kann man sich bequem ausbreiten und es geniessen, dass man zumindest für eine kurze Zeit "King of the Road" ist. Überholende Autos stören nicht, man ist nicht auf einer Hetzjagd sondern auf dem Weg. Könnte ja überholen, aber muss man eben nicht...
In der Stadt
Man merkt sofort, dass der Toronado nicht für deutsche Städte gebaut worden ist. Insbesondere Parkplätze sind schwer zu finden, Tiefgaragen gänzlich unbrauchbar da die Wenderadien einfach nicht zu halten sind.
Die Strassen selbst wirken ein wenig zu schmal, ein halber Meter mehr an Breite würde schon etwas bringen. Insbesondere wenn man Bussen begegnet die genauso breit sind wird dies zu einer kleinen Hürde.
Dafür ist aufgrund der Breite und dem ungewöhnlichen Erscheinungsbild die Vorfahrt quasi eingebaut. Mehr als ein Fahrer verharrt einfach beim Anblick des Toros, was einem dann Zeit für ein ausgedehntes Abbiegemanöver gibt.
Auch wird man oft vorgelassen, selbst wenn man das gar nicht will. Zuviele Menschen wollen sich einfach mal genau ansehen was da gerade vorbeischwebt.
Jet-Age Design
Und schweben ist auch der richtige Ausdruck, denn der Toronado ist schlussendlich kein Auto im herkömmlichen Sinne, sondern Style in jedem Detail. Von aussen sieht er aus wie einer der Raumgleiter aus Krieg der Sterne, das Fahrgeräusch gleicht ebenfalls diesen Gleitern (George Lucas hat sich die Geräusche von Doppeldeckern für seinen Film geliehen).
Das Fahren selbst ist eine Mischung aus Gleiten und dem was man vielleicht aus Motorbooten kennt. Unterstützt wird dieser Eindruck von dem spacig anmutenden Armaturenbrett, das die klare Gestaltung der heutigen Zeit vermissen lässt.Die Automatik schaltet zudem so weich, dass man denkt es mit einer konstanten Steigerung der Drehzahl zu tun zu haben. Bereits bei 40 km/h ist man im dritten Gang. Anders klingt ein Flugzeug ebenfalls nicht, da die Drehzahl nahezu immer konstant bleibt - es sei denn man fährt schneller.
Die Rückleuchten erinnern entfernt an die Strahldüsen der F-117 Nighthawk, das Bild zeigt hier schon eine Ähnlichkeit.Und das Frontgitter könnte auch dazu dienen einer Turbine Luft zu geben.
Fazit
Alles in allem ein Fahrerlebnis der besonderen Art. Andere Autos sind sicherlich schneller, besser, und teurer - doch der Toronado ist und bleibt einzigartig. Und die Reaktionen der Leute lassen es vermuten: jeder merkt das dies einmal ein besonderes Auto gewesen ist - und das gilt heute umso mehr.
Ein besonderes Gefühl stellt sich auch ein wenn man nach einem ausgiebigen Cruise wieder ein modernes Auto fährt: es fühlt sich an wie Plastikspielzeug.

